Ein Kommentar

von Sandra Lindberg2. Juni 2024
hundeparty.jpg - © dalle3
Wie wichtig eine demokratische Auseinandersetzung zu Gesetzesvorlagen ist, zeigt die öffentliche Stellungnahme des 1. Deutschen Shar Pei Clubs, bezugnehmend auf den Referentenentwurf zum «Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes und des Tiererzeugnisse-Handels-Verbotsgesetzes» des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft deutlich auf.

Beim Lesen dieser Stellungnahme habe ich nicht nur einmal mit dem Kopf geschüttelt und mich gefragt, ob wir Menschen, die sich intensiv mit einem Thema beschäftigen nicht alle hin und wieder von einer kognitiven Dissonanz betroffen sind. Etwas, was sicherlich noch verstärkt wird, wenn sich mehrere Menschen, die ein Thema vereint, zusammenschliessen.

Der Vollständigkeit halber hier ein Link zur kompletten Stellungnahme. Sehr zu empfehlen ist an dieser Stelle vor allem auch die Stellungnahme der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht (DJGT) e. V. 

Zu einigen Aussagen der Stellungnahme des 1. Deutschen Shar Pei Clubs 1985 werde ich im Folgenden eingehen.

Forderungen

In Punkt 1b steht: «Wir fordern, dass Rassehundezuchtvereine in ihrer Zuständigkeit für die Erteilung der Zuchterlaubnisse anerkannt werden und dazu befähigt sind, die gängigen Zucht- und Rassestandards vorzugeben sowie die Festlegung der züchterischen Erkenntnisse. Diese Standards und Erkenntnisse müssen in enger Zusammenarbeit mit Expertengremien, wie z. B. Universitätsklinken und/oder dem wissenschaftlichen Beirat des VDH (Verband für das Deutsche Hundewesen), entwickelt und aktualisiert werden. Die Einbindung von Fachleuten und Expertengremien ermöglicht es den Rassehundezuchtvereinen, sicherzustellen, dass die Zuchtzulassungsprüfung den aktuellen tiermedizinischen Erkenntnissen und Rechtsvorgaben (Tierschutzgesetz) entsprechen und würde zur Rechtssicherheit und Vertrauen der Bürger beitragen.»

Ein Prozedere, wie es seit Jahrzehnten läuft und was ja erst zu dem katastrophalen Zustand vieler Hunderassen geführt hat. Ein Zuchtverein, für den das Züchten mit Defekten in Ordnung ist und dieses durch entsprechende Zuchtzulassungen fördert, handelt nicht zum Wohle des Hundes. Um nachhaltiges Tierleid zu vermeiden, sollten Zuchtzulassungen von fachkompetenteren Stellen erteilt oder verhindert werden.

In Punkt 4.1. steht: «Bei der Erstellung einer neuen Rechtsverordnung, um die klinischen Symptome über Absatz 1a hinaus näher zu bestimmen sind zwingend Fachkenntnisse und Erfahrungen von Tiermedizinern, Vertretern des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH) und Rassehundezuchtvereinen einzuholen. Diese Organisationen verfügen über umfassende Expertise im Bereich der Rassehundezucht und können wertvolle Beiträge zur Identifizierung und Bewertung klinischer Symptome liefern. Eine enge Zusammenarbeit mit diesen Verbänden gewährleistet, dass die Maßnahmen praxisnah und effektiv umgesetzt werden können.»

Die Fachkenntnisse von Tiermedizinern und Wissenschaftlern entsprechender Bereiche, nicht nur aus Deutschland, sondern weltweit, liegen zu unzähligen Rassen und/oder Defekten in Form von vielen Studien oder Statistiken vor. Diesen Fachleuten ist es problemlos möglich sich über einzelne Rassen und/oder Defekte bei Portalen wie z.B. VetCompass detaillierter zu informieren. Von daher muss es diesen Fachleuten obliegen, entsprechende Symptome zu definieren. Ob dies nun der Meinung der Züchter gefällt oder nicht ist dabei unerheblich, denn es geht darum Tierleid zu verhindern und nicht weiterhin so zu züchten, wie es in der Vergangenheit geschehen ist.

Verbote ganzer Rassen?

Unter Punkt 4.2. steht: «Wir möchten jedoch ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir es aufs äußerste verurteilen, ganze Rassen, Arten und Linien zu verbieten.»

Das Verbot von Hunderassen ist nicht das Ziel der Überarbeitung. Es geht beim Thema Qualzucht immer um Individuen. Die Aussage «Die» wollen unsere Rasse XY verbieten, ist eine Aussage, die ich zuerst in verschiedenen Züchterkreisen gehört habe. Und dies wurde, ohne zu hinterfragen von einigen aufgegriffen und nachdrücklich weiterverbreitet.

Jeder, der sich für Tierwohl in dieser Diskussion einsetzt steht für Zucht mit Hunden, deren Nachkommen frei von genetischen Defekten sind.

Falsche Forschungsmotivation 

Unter gleichem Punkt steht weiter: «Forschung wird verhindert: Ein Verbot würde zwangsläufig jede Rasse treffen, denn erbbedingte Krankheiten können zukünftig auftreten oder auch erst in Zukunft durch medizinischen Fortschritt und/oder wissenschaftliche Untersuchungen erforscht werden. Wer allerdings würde die Forschung um seine Rasse noch unterstützen, wenn damit zu rechnen ist ein komplettes Verbot herbeizuführen? Wir sind auf alle Züchter und Liebhaber einer Rasse angewiesen, um Erbkrankheiten zu erforschen, die aus Liebe zu ihrem Hund und der Rasse eine Verbesserung herbeiführen wollen und aus diesem Grund daran teilnehmen. Ein pauschales Verbot würde bedeuten, dass jede Forschung zur Bekämpfung von Krankheiten schon im Ansatz unterdrückt würde, da niemandem mehr die Möglichkeit gegeben wäre, gegenzusteuern. Forschung und die Initiativen der Rassehundezuchtvereine tragen maßgeblich zur Erforschung von Krankheiten bei, welche sodann durch sinnvolle Zuchtstrategien bekämpft werden. Je höher eine Population erforscht ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit das sie verboten wird.»

Um eine Krankheit weiter zu erforschen, sollten also weiter Hunde mit entsprechenden Krankheiten gezüchtet werden, die aufgrund dessen leiden? Ernsthaft? Sinnvoller ist es doch das Wissen zu nutzen, um entsprechende Krankheiten von vorneherein zu verhindern.

QUEN

Dann folgen zwei Seiten über QUEN. Mir ist nicht ganz klar, was diese zwei Seiten in dieser Stellungnahme zu tun haben, ich sehe es mal als Anerkennung für QUEN und die wichtige und richtige Arbeit, die QUEN leistet. Eine Anerkennung, die auch mit dem 1. Platz des Niedersächsischen Tierschutzpreises 2023 gewürdigt wurde.

QUEN, das Qualzucht-Evidenz-Netzwerk, setzt sich aus ehrenamtlich engagierten Tierärzten, Rechtsanwälten, Biologen, Pathologen, Informatikern und Designern zusammen, die sich gegen das Leid von Defekt-/Qualzuchten und für das Wohl der Tiere einsetzen. QUEN unterstützt in erster Linie Veterinärämter, Verwaltungen, Gerichte und Gesetzgeber, die auf Anfrage ausführliche Informationen zu einer Rasse oder einem bekannten Defekt, der aktuellen Studienlage dazu und die entsprechenden Quellenangaben erhalten, um den Vollzug des Tierschutzgesetzes nachhaltig zu unterstützen.

Duldung von Leiden

Unter dem Punkt Zuchtstrategien wurde mir dann endlich klar, warum diese Stellungnahme geschrieben wurde: «Alle Rassehundezuchtvereine müssen zu ihren Rassekrankheiten kategorisieren, von „sehr gering Beeinträchtigung “ bis „schwer beeinträchtigt“ für die betroffenen Tiere einordnen.»

Eine Einteilung wie hier vorgeschlagen darf nie von Züchtern oder Zuchtvereinen selbst vorgenommen werden. Denn dann wären wir genau da, wo wir heute sind. Auftretende Krankheiten werden weiter unter den Teppich gekehrt und Tierleid wird geduldet.

«Die Definition von Anlageträger darf nur bei gesicherten anerkannten Auswertungsverfahren (Gentest) angewandt werden, welche zuverlässig und eindeutig krankhafte Ausprägung identifizieren können, Vorgaben müssen vom zuständigen Rassehundezuchtverein erfolgen»

Auch hier darf es nicht der Rassehundezuchtverein oder der einzelne Züchter sein.

«Es ist jedoch zu betonen, dass diese Grundsätze nur greifen können, wenn zuverlässige Tests und Ergebnisse zur Verfügung stehen, betroffene Tiere mit klinischen Symptomen einwandfrei zu identifizieren. Solange eine Krankheit erforscht wird und die Ergebnisse nicht zweifelsfrei sind, ist es unerlässlich, Hunde, die vorläufig als Anlage- oder Merkmalsträger eingestuft wurden, in der Zucht zu behalten, vorausgesetzt, sie zeigen keine klinischen Symptome.»

Es gibt keine vorläufigen Merkmalsträger. Es gibt Merkmalsträger und merkmalsfreie Hunde. Nur weil einem Zuchtclub oder einem Züchter die wissenschaftliche Ausgangslage und die vorhandenen genetischen Testmöglichkeiten nicht gefallen, darf er sie nicht ignorieren.

Tötung von Wirbeltieren

Ein weiterer Punkt der Stellungnahme lautet «Gefahr der Tötung von Wirbeltieren». Dort steht u.a.: «Bei unsachgemäßer Auslegung von Qualzuchtmerkmalen kann dadurch ein Zusammenhang geschaffen werden, welcher die Tötung von unerwünschten Hunden, Rassen, Linien erlaubt, welche ein Qualzuchtmerkmal attestiert, bekommen haben das „nur“ auf einer willkürlichen Auslegung beruht.»

Wie man auf so einen Gedankengang kommen kann, ist mir nicht klar. Niemand will einen Hund töten, die nach unabhängiger Begutachtung als Qualzucht eingestuft wurde. Es muss nur verhindert werden, dass mit diesem Tier gezüchtet wird, um zukünftiges Tierleid bei potenziellen Nachkommen zu verhindern.

Fazit

Ich persönlich finde es großartig, wenn sich Bürger und in diesem Fall ein Zuchtclub politisch engagieren will. Wünschenswert wäre ein klares, transparentes, positives Beispiel gewesen, wie etwa ein Zuchtclub der aktiv Tierleid verhindert, indem er konsequent den Zuchteinsatz von Hunden mit genetischen Defekten unterbindet. Leider fürchte ich, dass die Motivation hinter dieser Stellungnahme in erster Linie Züchtern und Zuchtclubs freie Hand verschaffen soll und so weiterhin Hunde, ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden hintenangestellt wird.